Zoom Fatigue – Wie wir der Ermüdung durch virtuelle Meetings entgegenwirken können

Homeoffice als zusätzlicher Anreiz, als Statussymbol oder als Notfalllösung – das war einmal! Denn mittlerweile ist das Homeoffice für viele zum regulären Arbeitsplatz geworden. Über ein Jahr hatten wir bereits Zeit, um uns an die „neue Realität“ zu gewöhnen und auch wenn viele zu Beginn die Hoffnung hatten, dies sei nur temporär – manch eine:r hat das Büro seit Beginn der Pandemie nicht mehr betreten …
Nicht nur im Homeoffice, sondern auch zwischen den verschiedenen Büro-Räumen hat sich mittlerweile eine ‚neue‘ Form der Kommunikation etabliert: Teams, WebEx und Zoom sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Tools, deren Einsatz die Kommunikation im Team während der Pandemie – auch ohne physischen Kontakt – aufrecht erhalten konnte. Diese Möglichkeiten werden auch nach der Pandemie ihre Vorteile nicht verlieren und langfristig etablierte und allgemein akzeptierte Kommunikationsmittel bleiben.

Szene Meeting für ein virtuelles Training

Ein neuer ‚Stressor‘ am Arbeitsplatz entsteht …

Dass hierbei jedoch auch Potential für Gefahren besteht, zeigten jüngst verschiedene Studien. Es wurde unter anderem die sogenannte ‚Zoom Fatigue‘, das Müdigkeits- und Erschöpfungserleben bei der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen (aller Anbieter), untersucht.
In einer Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE)1 wurden 330 Erwerbstätige nach ihrem Erleben von virtuellen Meetings befragt. Die Befragten berichteten größtenteils von Symptomen in Form von psychischen Beeinträchtigungen wie Konzentrationsstörungen, aber auch von Kopf- und Rückenschmerzen. Außerdem mangele es an sozialem und informellem Austausch, wie beispielsweise Smalltalk. Auch das gemeinsame Netzwerken sei erschwert. Daneben wurden vielfach Belastungen durch technische Mängel, wie eine instabile Verbindung oder schlechte Tonqualität, sowie eine erhöhte Taktung der virtuellen Treffen wahrgenommen.
Die Stanford University hat sich nun mit dieser Thematik als Krankheitsbild beschäftigt und erstmals aus psychologischer Sicht die Hintergründe und Ursprünge der ‚Zoom Fatigue‘ erkundet2. Dabei stellten die Forschenden um Professor Jeremy Bailenson vier wesentliche Gründe für die Online-Müdigkeit heraus:

1. Übermäßiger und enger Augenkontakt aus der Nähe ist sehr intensiv

Durch die Vielzahl an Personen innerhalb des eigenen Blickfeldes gibt es unnatürlich viele zu verarbeitende Informationen. Während in einem Präsenzmeeting drei bis vier Personen im Fokus sind, lassen sich auf dem Bildschirm nahezu beliebig viele Personen gleichzeitig ansehen.
Hier kann es Abhilfe schaffen, bspw. nur die Sprecheransicht zu aktivieren, den Bildschirmausschnitt zu verkleinern oder auch mal nur den Audio-Kanal zu aktivieren. All dies sorgt für weniger zu verarbeitende Informationen, sodass weniger schnell Ermüdungserscheinungen entstehen.

2. Sich selbst bei Videochats ständig in Echtzeit zu sehen, ist ermüdend

Man wird mit Spiegelungen von sich selbst in einer Häufigkeit und Dauer konfrontiert, die es so noch nicht gegeben hat. Man stelle sich vor, in der realen Welt würde einem die ganze Zeit jemand mit einem Spiegel folgen … Bailenson, Gründungsdirektor des Labors für virtuelle menschliche Interaktion der Universität Stanford, zitiert hierzu Studien, die herausstellen, dass das Zeigen einer Spiegelung eine kritischere Haltung zum Selbst fördert und dadurch Stress induziert.
Die simple Lösung liege in der Deaktivierung der Selbstansicht, so wie es die gängigen virtuellen Kommunikationsplattformen bereits ermöglichen. Zu Beginn mag es vielleicht sinnvoll sein, kurz und kritisch sein eigenes Erscheinungsbild zu prüfen. Über die gesamte Konferenzdauer ist dies jedoch nicht nötig.

3. Videochats schränken unsere übliche Mobilität drastisch ein

Für gewöhnlich ist der Winkel der Webcam auf einen bestimmten Bereich beschränkt. Grundsätzlich sind wir (u. a. auch durch die Selbstansicht) darum bemüht, zu jeder Zeit gut sichtbar und mittig im Bild zu sein. Daher neigen wir bei virtuellen Meetings dazu, in unnatürlichen Haltungen zu verharren und unsere Bewegung massiv zu reduzieren.
Abhilfe schafft hier eine externe, freibewegliche Kamera, statt der im Laptop verbauten, die sich in etwas weiterer Entfernung zum Körper aufstellen lässt. Zusätzlich kann eine externe und damit frei bewegliche Tastatur die Mobilität weiter erhöhen und so wieder für eine natürlichere Sitzposition sorgen – bei gleichbleibend gutem Selbstauftritt.

4. Die kognitive Belastung ist bei Videochats viel höher

Die nonverbale Kommunikation, wie sie bei der Interaktion von Angesicht zu Angesicht selbstverständlich ist, fällt im virtuellen Format deutlich schwerer. Es ist wesentlich mehr Anstrengung notwendig, um Signale zu senden oder zu empfangen. Durch die unterschiedlichen Umgebungen, in denen sich die Video-Konferenzierenden befinden, erschweren außerdem situative Interaktionen mit der jeweiligen Umwelt das Interpretieren von Gestiken auf der „anderen Seite“ des Bildschirms. Wenn beispielsweise das Kind ihres Gesprächspartners ins Zimmer kommt, bekommen sie dies möglicherweise gar nicht mit und können seine Reaktion und Gestik nicht richtig zuordnen.
Bei längeren Meetings empfiehlt sich daher das Einlegen von „Nur-Audio“-Pausen. Die Kamera auszuschalten und sich bewusst vom Bildschirm wegzudrehen kann dem ermüdenden Wahrnehmen und Deuten nonverbaler Zeichen Einhalt gebieten.

Weitere Tipps gegen Online-Müdigkeit

Diese Empfehlungen sind natürlich nur beispielhaft und jede:r muss für sich und innerhalb des Unternehmens die Best Practices erkunden. Das Ziel sollte dabei sein, die Vorteile der virtuellen Kommunikation zu nutzen und die Nachteile zu reduzieren. Die Sensibilisierung dieser Thematik und das gelegentliche Abfragen des „virtuellen Erschöpfungsgrades“ sind ein guter erster Schritt.
Weitere kurzfristige Empfehlungen gibt ein Harvard Business Review3. Zunächst empfehlen die Autoren das Vermeiden von Multitasking. Hierbei entstehen hohe „Switch-Kosten“, die zu einer höheren Anstrengung und einer geringeren Produktivität führen. Während eines Meetings sollte man alle irrelevanten Anwendungen und Tabs schließen und seine volle Aufmerksamkeit auf das Meeting richten.
Kurze Pausen während längerer Meetings sind der Aufmerksamkeit zuträglich und auch zwischen verschiedenen Meetings sollte man anstelle des üblichen Weges von Raum A zu Raum B im virtuellen Format Pausenzeiten einplanen. Es empfiehlt sich daher, von vornherein Meetings für 25 bzw. 55 Minuten anzusetzen, anstelle der klassischen halben oder ganzen Stunde, so dass mindestens 5 Minuten Puffer zwischen zwei aufeinanderfolgenden Meetings bleiben.
Ein altbewährtes Instrument der Kommunikation wurde während der Pandemie oftmals vernachlässigt – das klassische Telefonat. Hier verweisen die Autoren darauf, dass gerade für externe Anrufe nicht zwingend der Videochat als Standard gesetzt werden sollte. Ein Videochat befinde sich auf einem anderen Intimitäts-Niveau als der klassische Anruf.
Es kann auch hilfreich sein, sich externe Impulse einzuholen und speziell auf das digitale Arbeiten hin angepasste Trainings für Mitarbeiter:innen anzubieten. Auch der Teamentwicklung fällt in Zeiten der virtuellen Kommunikation, in der die meisten Mitarbeiter:innen ihren Arbeitsalltag allein im Homeoffice verbringen, eine bedeutende Rolle zu. Bei Interesse an Trainings, Teamentwicklungsworkshops oder Vorträgen, verweisen wir an dieser Stelle gerne auf unser Portfolio. Weitere Informationen, beispielsweise zu virtuellen Trainings, sind hier zu finden: cornelia-tanzer.de/virtuelle-trainings/

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1 Rump, J. & Brandt, M. (2020). Zoom-Fatigue-Phase 2. Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Verfügbar unter: https://www.ibe-ludwigshafen.de/wp-content/uploads/2020/12/Folien_IBE-Studie_Zoom-Fatigue_2-Phase.pdf
2 Bailenson, J. N. (2021). Nonverbal Overload: A Theoretical Argument for the Causes of Zoom Fatigue. Technology, Mind, and Behavior, 2(1). https://doi.org/10.1037/tmb0000030
3 Fosslien, L. & Duffy, M. (2020). How to combat Zoom fatigue. Harvard Business Review. Verfügbar unter: https://hbr.org/2020/04/how-to-combat-zoom-fatigue

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