Struktur schlägt Intuition: Erhöhung der Validität von Interviews

Im Personalauswahlprozess ist das Interview das am häufigsten eingesetzte Instrument, um die Eignung von Kandidaten zu bewerten. Häufig verlassen sich Interviewer jedoch auf ihre Intuition oder eine lockere Gesprächsführung, die vermeintlich authentische Einblicke in die Persönlichkeit des Bewerbers geben soll.
 
Doch genau hier liegt das Problem: Intuitive oder freie Interviews bergen eine Vielzahl von Fehlerquellen, die die Validität und damit die Aussagekraft des Interviews stark beeinträchtigen.
 
Strukturierte Interviews hingegen bieten eine fundierte Methode, um die Eignung eines Bewerbers systematisch und objektiv zu beurteilen. Hierzu zeigt die Studie von Sackett et al. (2022), dass die Standardisierung von Interviews subjektive Verzerrungen minimiert, die Vorhersagekraft für die Passung von Kandidat und Stelle signifikant verbessert und damit zu zuverlässigeren Einstellungsentscheidungen führt.

Häufige Fehler in freien Interviews

In freien oder unstrukturierten Interviews werden Fragen oft spontan gestellt, abhängig davon, wohin sich das Gespräch entwickelt. Diese intuitive Herangehensweise kann dazu führen, dass wichtige Informationen übersehen und die Bewerber nicht objektiv beurteilt werden. Die häufigsten Fehler in freien Interviews sind:
 
1. Unzureichende Vorbereitung: Oft fehlt eine fundierte Vorbereitung. Interviewer wissen nur wenig über die spezifischen Anforderungen der Position und führen das Gespräch spontan.
 
2. Zufällige Reihenfolge der Fragen: Da kein standardisierter Leitfaden vorhanden ist, werden Fragen spontan und ohne festgelegte Reihenfolge gestellt. Dies erschwert den Vergleich von Kandidaten und führt zu inkonsistenten Ergebnissen.
 
3. Gefragt wird „aus dem Bauch heraus“: Häufig lassen Interviewer das Gespräch einfach fließen, wodurch sie ihre eigenen Vorurteile unbewusst ins Gespräch einfließen lassen können. Dabei läuft man Gefahr, wichtige Eignungsmerkmale zu übersehen oder irrelevante Informationen zu sammeln.
 
4. Mangelnde Dokumentation: Während des Gesprächs werden oft keine, nur wenige oder ungenaue Notizen gemacht. Dies erschwert eine präzise Nachbereitung und führt zu einer erschwerten oder fehlerhaften Bewertung.
 
5. Bewertung ohne feste Kriterien: Nach dem Gespräch wird die Eignung des Kandidaten oft „aus dem Bauch heraus“ bewertet, ohne festgelegte Kriterien heranzuziehen. Dies führt zu subjektiven Urteilen.
 
Diese Fehler vermindern die Validität und Aussagekraft des Interviews, da die Bewertung stark von subjektiven Eindrücken und zufälligen Gesprächsverläufen geprägt ist.
 

Wie Struktur die Validität erhöht

Um die Validität und Objektivität von Interviews zu erhöhen, ist eine strukturierte Vorgehensweise unverzichtbar. Ein strukturiertes Interview folgt einem klaren Leitfaden und bietet den Vorteil, dass jeder Kandidat auf derselben Grundlage beurteilt wird. Wichtige Elemente eines strukturierten Interviews umfassen:
 
1. Erstellung eines Anforderungsprofils: Zu Beginn des Prozesses sollte ein detailliertes Anforderungsprofil erstellt werden. Es enthält die spezifischen Eignungsmerkmale und Fähigkeiten, die für die ausgeschriebene Position entscheidend sind. Damit wird der Rahmen gesetzt, welche Kompetenzen und Persönlichkeitseigenschaften im Interview besonders relevant sind.
 
2. Entwicklung eines Interviewleitfadens: Basierend auf dem Anforderungsprofil wird ein Interviewleitfaden entwickelt, der als roter Faden dient und alle wichtigen Fragen enthält. Dieser Leitfaden stellt sicher, dass bei allen Kandidaten die gleichen, erfolgsrelevanten Kompetenzen gezielt abgefragt werden.
 
3. Standardisierte Fragenabfolge: Die Reihenfolge der Fragen wird festgelegt, um eine direkte Vergleichbarkeit zwischen den Kandidaten zu ermöglichen. Dies verhindert auch, dass einzelne Bewerber durch eine spontane Fragestellung bevorzugt oder benachteiligt werden.
 
4. Strukturierte Dokumentation: Eine strukturierte Dokumentation der Antworten während des Gesprächs ist entscheidend. Idealerweise wird das Interview von zwei Personen geführt, sodass eine Person das Gespräch leitet und die andere die Antworten detailliert notiert. Das ermöglicht eine genaue Nachbereitung und verhindert, dass Eindrücke oder Informationen verloren gehen.
 
5. Bewertung anhand des Anforderungsprofils: Direkt nach dem Interview sollten die Antworten gemeinsam mit allen Beobachtenden ausgewertet werden, um eine objektive Bewertung zu ermöglichen. Dabei dient das Anforderungsprofil dazu, subjektive Einschätzungen zu minimieren.
 

Fazit: Strukturiertes Interview als Erfolgsfaktor

Ein strukturiertes Interview ist der Schlüssel zu einer fundierten und objektiven Bewerberbewertung. Die Validität – also die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Aussagen, die das Interview über die Eignung eines Kandidaten liefert – steigt signifikant, wenn die typischen Fehler eines freien Interviews vermieden und durch eine strukturierte Herangehensweise ersetzt werden.
 
Unternehmen, die in die Struktur ihrer Interviews investieren, erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit, dass sie Kandidaten finden, die nicht nur fachlich, sondern auch kulturell und sozial zum Unternehmen passen und die Anforderungen der Position optimal erfüllen.
 
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