Psychologische Sicherheit als Erfolgsfaktor

Im wöchentlichen Teammeeting macht Franziska einen Vorschlag für eine neue Vorgehensweise. Noch bevor sie ihre Idee zu Ende erklären kann, verdreht ein Kollege die Augen und ihr Vorgesetzter sagt: „Dafür haben wir keine Zeit, wir machen das wie immer.“
Franziska verstummt – und in den folgenden Wochen bringt sie keine neuen Ideen mehr ein.

Situationen wie diese sind kein Einzelfall. Die Zweifel der jungen Kollegin aus dem Beispiel sind ein klares Zeichen mangelnder psychologischer Sicherheit – mit massiven Auswirkungen auf Innovation, Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit.

Der Begriff der psychologischen Sicherheit beschreibt das Klima in einem Team, in dem sich Menschen trauen, Fehler einzugestehen, Kritik zu üben oder auch ungewöhnliche Ideen zu äußern – ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Dabei geht es nicht um einen Raum frei von Konflikten und unangenehmen Gefühlen, sondern um eine Kultur geprägt von Vertrauen und Respekt, die ein ehrliches und authentisches Auftreten der Teammitglieder ermöglicht. Menschen erleben psychologische Sicherheit, wenn sie ohne Sorge vor möglichen Schuldzuweisungen frei sprechen können und sagen, warum sie beispielsweise verärgert oder traurig sind und vorhandene Spannungen ansprechen können (McCausland, 2023).

Die psychologische Sicherheit ist ein entscheidender Teil des Systemklimas und liegt im Einflussbereich der Führungskraft. Sie trägt essenziell zum vorhandenen Vertrauen innerhalb des Teams bei und beeinflusst damit auch dessen Leistung. Die gefühlte psychologische Sicherheit steht in einem direkten Zusammenhang mit der Performanz einer Arbeitsgruppe (Edmonson & Lei, 2014).

 

Wie konkret sich mangelnde psychologische Sicherheit zeigen kann und wie Führungskräfte aktiv Vertrauen und psychologische Sicherheit aufbauen können, haben wir auf der diesjährigen Zukunft Personal Europa 2025 im Rahmen eines Workshops und anhand eines konkreten Kundenprojekts vorgestellt.

Unsere Consultants Lea Detsch und Silke Karte stellten den interessierten Zuhörenden auf der Messe in einem gut besuchten Vortrag ein Kundenprojekt vor, in dem bereits bei der Auftragsvergabe der Eindruck entstand, dass mangelndes Vertrauen und psychologische Sicherheit zentrale Themen sein könnten. Da kulturelle Themen häufig schwer greif- und messbar sind, nutzten wir unser XLNC_c-Diagnostiktool, um sowohl über eine Selbsteinschätzung der Führungskräfte als auch über Fremdeinschätzung der Mitarbeitenden ein Bild über das aktuelle Systemklima zu erhalten. Parallel führte unser Beraterinnenteam strukturierte Interviews mit allen Beteiligten, um qualitative Aspekte aufzunehmen und den Ergebnissen der diagnostischen Erhebung zuzuordnen. So ergab sich ein detailliertes Bild über die zentralen Handlungsfelder – wie vermutet zeigte sich im Bereich der psychologischen Sicherheit ein Haupthandlungsfeld.

Grafik zum Systemklima mit den Dimensionen Vertrauen, Zusammenarbeit, Leistung und ihren Unterdimensionen

Wie äußerte sich die mangelnde psychologische Sicherheit?

Die Mitarbeitenden hatten durch sehr differierende Führungsstile der Projektleiter das Gefühl in unterschiedlichen Unternehmen zu arbeiten, je nach aktueller Führungskraft. Bei einigen fühlten sie sich gesehen und gefördert, bei anderen hingegen eher als Befehlsausführer. Die Kommunikation von oben war unterschiedlich transparent, Ideen und kritische Rückmeldungen wurden seitens der Mitarbeiter nicht gehört. Die Meetings des betroffenen Unternehmens zeigten zunehmend eine geringe Beteiligung und wenig offener Diskussionen und die Homeoffice-Quote war massiv angestiegen. Dazu kam eine ansteigende Fluktuation sowie uns gegenüber konkret geäußerte Kündigungsabsichten.

 

Team legt im Meeting gemeinsam die Hände zusammen als Symbol für Vertrauen, Zusammenhalt und psychologische Sicherheit

Was haben wir gemacht?

Zustände wie diese verschlechtern Ergebnisse, bremsen Innovation, fördern Unzufriedenheit und führen zu einem erhöhten Stresserleben bei den Mitarbeitenden. Aktuelle Studien zeigen: Psychologische Sicherheit ist der wichtigste Erfolgsfaktor für leistungsstarke Teams.

In mehreren gezielten Workshops haben wir mit dem Führungsteam, einzelnen Teams und allen Mitarbeitenden Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt, die einen positiven Einfluss auf psychologische Sicherheit haben. Dabei ging es u. a. um die Entwicklung eines einheitlichen Führungsverständnisses inklusive entsprechender Führungswerte, die Förderung einer offenen Feedback- und Austauschkultur sowie um Einzelcoachings der teilnehmenden Führungskräfte. In den Coachingsitzungen wurden diese zur Selbstreflexion und weiteren Entwicklung konkreter Verhaltensweisen zur Förderung der gewünschten Teamkultur angeregt.  Ein zentraler Hebel dabei war die Erweiterung ihrer Kompetenzen im partizipativen, integrativen und coachiven Führungsstil. Führungskräfte, die die Beteiligung ihrer Mitarbeitenden fordern und fördern, Vielfalt begrüßen und Entwicklung anstoßen, tragen nachweislich zu einer erhöhten erlebten Sicherheit und einem funktionaleren Team bei.

Gehen wir also zurück zu Franziska. Was wäre, wenn ihr Vorschlag nicht direkt unterbunden worden wäre? Inwiefern hätte das Unternehmen von ihren Vorschlägen profitieren können? Und wer weiß, welche Vorschläge und guten Ideen sie zu anderen Themen auch noch gehabt hätte? Franziskas Unternehmen wird es nicht erfahren.
Das zeigt: Psychologische Sicherheit ist kein Selbstläufer und kein „Nice-to-have“ – sie ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Teams und Organisationen. Unternehmen sind gefordert, ihre Kultur bewusst zu reflektieren und aktiv zu gestalten. Psychologische Sicherheit entsteht nicht von allein – sie braucht klare Priorität, echtes Engagement und ist Führungsaufgabe.

 


Quellen:

Edmondson, A. C. (2020). Die angstfreie Organisation: Wie Sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen. Vahlen.

Edmondson, A. C., & Lei, Z. (2014). Psychological Safety: The History, renaissance, and Future of an Interpersonal Construct. Annu. Rev. Organ. Psychol. Organ. Behav., 1, 23-43.

McCausland, T. (2023). Creating Psychological Safety in the Workplace. Research-Technology Management, 66(2), 56-58.

Newman, A., Donohue, R., & Eva, N. (2017). Psychological safety: A systematic review of the literature. Human Resource Management Review, 27, 521-535.

Wanless, S. B. (2016). The Role of Psychological Safety in Human Development. Research in Human Development, 13(1), 6-14.

 

Zurück

© 2025. CORNELIA TANZER | Datenschutz | Impressum | Cookie-Einstellungen

You are using an outdated browser. The website may not be displayed correctly. Close