Führungstrainings: Teures Strohfeuer oder langfristige Entwicklungsinvestition?
WAS TRAININGS IN DER PRAXIS WIRKLICH LEISTEN UND WARUM SICH OFT SO WENIG VERÄNDERT – UND WIE EIN NACHHALTIGER TRANSFER TATSÄCHLICH GELINGEN KANN
Trainings zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung sind in der Berufswelt fest etabliert. Zum Erlernen und Verfestigen kritischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden Fachtrainings, beispielsweise in der Luftfahrt, mit großem Erfolg eingesetzt. Aber auch bei der Entwicklung von sogenannten „Softskills“, die insbesondere von Führungskräften verlangt werden, werden sie genutzt. Dabei geht es um übergreifende Kompetenzen wie Kommunikation, Konfliktmanagement oder Selbstorganisation. Unternehmen investieren dafür viel: Die Ausgaben für Weiterbildung sind nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren weiter gestiegen und haben mit Gesamtausgaben von 46 Mrd. Euro (1.347 Euro je beschäftigter Person) im Jahr 2023 den Stand vor Corona übertroffen (1).
Auf den ersten Blick scheint sich die Investition zu lohnen: Studien zeigen, dass Führungskräftetrainings nachweislich wirksam sind. Sie führen zu messbaren Lernzuwächsen, steigern sowohl individuelle als auch organisationale Leistungsfähigkeit und fördern soziale und kognitive Kompetenzen [2, 4, 5].
NACHHALTIGER EFFEKT BLEIBT IN DER PRAXIS HÄUFIG AUS
In der Praxis bleibt die Wirkung oft hinter den Erwartungen zurück. Viele unserer Kundinnen und Kunden berichten, dass frühere Trainings zwar inspirierend waren, aber wenig nachhaltige Veränderungen bewirkt haben. Und vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor: Sie besuchen ein Training mit vielen Impulsen, interessanten Methoden, neuen Perspektiven – und trotzdem kehrt schon kurz danach der Alltag zurück und alte Muster greifen wieder, neue Vorsätze versanden. Und das liegt selten am Willen zur Veränderung, sondern daran, dass der Lerntransfer nicht im Konzept berücksichtigt wird. Denn das eigentliche Lernen passiert nicht im Training selbst, sondern danach bzw. zwischen mehreren Trainingsmodulen (3).
Dies legt auch das 70-20-10-Modell nach McCall, Lombardo und Morrison (1980) nah:
- 70 % des Lernens geschieht durch Erfahrung, durch Tun, durch tägliche Herausforderungen.
- 20 % lernen wir im Austausch – durch Feedback, Mentoring und kollegialen Dialog.
- 10 % entfallen auf formales Lernen – also das Training selbst.
Diese vielbeachtete „Faustregel“ zeigt auf, dass formales Lernen in Form von Vorträgen und Lesen allenfalls Impulse geben kann. Ein gut gemachtes Training fördert zudem den kollegialen Austausch und schafft praxisnahe Übungssituationen. Das eigentliche Lernen erfolgt jedoch durch Integration in die Praxis und stetige Wiederholung. Dafür braucht es schon im Training einen Plan, was in welchen Situationen ausprobiert werden soll. Außerdem braucht es Räume zur Reflexion im Nachgang, beispielsweise durch Austausch in einer festen Peer-Gruppe, in denen Teilnehmende Erlebtes wirklich verarbeiten und für sich nutzbar machen können (6).
Gleichzeitig ist klar, dass nicht jeder Inhalt im Detail für jede/n Teilnehmende/n gleich wichtig ist. Umso wichtiger ist es, dass die Bedarfe der Zielgruppe genau verstanden und im Training abgebildet werden, sodass eine hohe Relevanz für die Teilnehmenden besteht. An dieser Stelle können gezielt Ansätze aus der Eignungsdiagnostik eingesetzt werden, in Form von Persönlichkeits- oder Führungsstilanalyse oder als umfassendes Development Center. Durch die wissenschaftlich fundierte Erfassung und Beschreibung der individuellen Kompetenzen oder Persönlichkeitsmerkmale lassen sich gezielte Schlüsse über Stärken und mögliche Entwicklungsfelder ziehen. Diagnostik ist ein Türöffner für Reflexion, Selbstverantwortung und nachhaltige persönliche Entwicklung.
BLICK IN DIE PRAXIS - TRAININGS, DIE WIRKLICH WIRKEN – EINBLICK INS TALENTPROGRAMM VON OHB
Ein konkretes, erfolgreiches Beispiel für ein Trainingsprogramm, das die oben genannten Ansätze in hohem Maße berücksichtigt, stellt das Talentprogramm unseres Kunden OHB SE dar, welches wir gemeinsam mit unserem Kunden entwickelt und seit 2022 regelmäßig umgesetzt haben. Das englischsprachige Programm besteht aus 5 Modulen, die sich über ein Jahr erstrecken und von mehreren flankierenden Angeboten begleitet werden. Die Module finden teilweise in Präsenz und teilweise als virtuelles Format statt.
1. Relevanz und Betroffenheit der Zielgruppe
Das Trainingsprogramm richtet sich vorwiegend an junge Mitarbeitende des Unternehmens, die eine Führungs- bzw. Projektleiterlaufbahn anstreben oder als fachliche Nachwuchskräfte Verantwortung übernehmen. Diese können sich auf einen Platz im Programm bewerben und durchlaufen ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Dadurch wird eine hohe Passung und Motivation der Teilnehmenden für das Trainingsprogramm sichergestellt.
2. Modular aufgebaute Trainingssessions
Das Programm ist in fünf Module gegliedert, die jeweils unterschiedliche Schwerpunkte wie etwa Selbstführung, Kommunikation oder Entscheidungsfindung haben. Die Module bauen inhaltlich aufeinander auf. Durch Rückbezüge zu vorigen Modulen werden die Verbindungen deutlich und das Gelernte vertieft sich. Die Inhalte der einzelnen Module werden erlebbar und anwendungsorientiert vertieft. So erfolgt auf einen theoretischen Impuls immer eine Übungssequenz, gefolgt von einer Reflexionsphase. Dabei wird auch das persönliche Erleben eingeschlossen, wie beispielsweise bei der Analyse von Motivstorys, bei denen sich die Teilnehmenden einen Zugang zu ihren eigenen, eher unbewussten Motiven erarbeiten.
3. Transferaufgaben
In den Trainingsmodulen erhalten die Teilnehmenden konkrete Aufgaben zur Anwendung in der Praxis. Auf diese Weise wird schon im Training der Praxisbezug hergestellt. Ein konkretes Beispiel dafür: Im Training wird eine reale Gesprächssituation mit einem relevanten Stakeholder nach einer definierten Struktur vorbereitet. Dieses Gespräch gilt es, im Nachgang tatsächlich zu führen und die Erkenntnisse daraus im folgenden Modul zu teilen.
4. Business Simulation Game
Begleitet werden die Trainingsmodule durch eine Business Simulation, bei dem es darum geht, als Gruppe ein Unternehmen durch analytisches Vorgehen und fundierte Entscheidungen an die Spitze eines fiktiven Marktumfeldes zu bringen. In den regelmäßigen Spielphasen, welche teilweise durch Webinare begleitet werden, können die Teilnehmenden Inhalte aus den Modulen, beispielsweise zu Kommunikation, Gruppendynamik, Rollen oder Entscheidungsfindung direkt anwenden und reflektieren. Die Businesssimulation wird zudem in den Trainingsmodulen wieder aufgegriffen und in die Trainingsinhalte einbezogen. Der Transfer erfolgt hier spielerisch, zielgerichtet und mit hohem Praxisbezug.
5. Mentoring & Social Learning
Ein begleitendes Mentoring-Programm gibt den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre persönliche und berufliche Entwicklung in regelmäßigen Sitzungen mit einer erfahrenen Führungskraft zu reflektieren und sich praxisnahe Tipps für herausfordernde Situationen einzuholen. Zusätzliche Mastermind-Gruppen aus Teilnehmenden des Talentprogramms bieten darüber hinaus Raum, Lernerfahrungen mit Peers zu teilen und sich gegenseitig bei der Weiterentwicklung – etwa durch kollegiale Beratung oder Feedback – zu unterstützen. Dieses soziale Lernen in der Gruppe stellt einen entscheidenden Erfolgsfaktor für nachhaltige Entwicklung dar.
Fazit:
Aus Sicht unserer hauptverantwortlichen Trainer:innen Lea Detsch und Tobias Hitziger ist das Programm ein voller Erfolg: „Die Teilnehmenden sind hoch motiviert, bereiten sich aktiv auf die Trainings vor, arbeiten selbstständig und nutzen die angebotenen Formate intensiv.“
OHB investiert damit gezielt in die Zukunft seiner Talente, baut nicht nur Kompetenzen auf, sondern stärkt auch die (Ver-)Bindung zu den eigenen Mitarbeitenden. Mit sichtbarem Erfolg: Aufgrund der positiven Ergebnisse der vergangenen Jahre und der steigenden Nachfrage wurde der diesjährige Durchlauf verdoppelt und gruppenweit umgesetzt. Wir sind stolz und froh darüber, dieses erfolgreiche Programm weiter begleiten zu dürfen und freuen uns schon auf das nächste Training.
Besonderer Dank geht an die Programmverantwortlichen von OHB Raphaela Kraske und Katharina Neumann für die konstruktive und stets wertschätzende Zusammenarbeit.
Quellen
(1) Seyda, S., Werner, D., & Hammer, S. (2024). Betriebliche Weiterbildung in Deutschland: Ergebnisse der IW-Weiterbildungserhebung 2023 (IW-Trends, 51(2)). Institut der deutschen Wirtschaft (IW). https://www.econstor.eu/bitstream/10419/301850/1/1899315640.pdf
(2) Amagoh, F. (2009). Leadership development and leadership effectiveness. Management Decision, 47(6), 989–999. https://doi.org/10.1108/00251740910966695
[3] Krutzky, F. (2022). Führungskräftetraining? Aber richtig! In F. C. Brodbeck (Hrsg.), Evidenzbasierte Wirtschaftspsychologie,
(38). Ludwig-Maximilians-Universität München. http://www.evidenzbasiertesmanagement.de.
[4] Lacerenza, C. N., Reyes, D. L., Marlow, S. L., Joseph, D. L. & Salas, E. (2017). Leadership training design, de-
livery, and implementation: A meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 102(12), 1686–1718.
https://doi.org/10.1037/apl0000241
[5] Salas, E., Tannenbaum, S. I., Kraiger, K. & Smith-Jentsch, K. A. (2012). The Science of Training and Develop-
ment in Organizations. Psychological Science in the Public Interest, 13(2), 74–101.
https://doi.org/10.1177/1529100612436661
[6] Seeg, B. (2020). Systematisches Transfermanagement für nachhaltige Führungskräftetrainings (Doctoral dissertation, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Fakultät Humanwissenschaften).